1. Bestandsaufnahme
Eine Gemeinde mittlerer Größe versammelt sich am Sonntag in ihrer Kirche. Einen eigenen Pfarrer – als hätte er ihr je gehört oder die Gemeinde ihm – gibt es in der Gemeinde schon lange nicht mehr. Jeden zweiten Sonntag kommt der Pfarrer der Hauptgemeinde und feiert mit der Ortsgemeinde die Eucharistie. Heute findet keine Eucharistiefeier statt. Eine ehrenamtliche Wortgottesleiterin steht heute dem Gottesdienst vor. Ein Lektor liest die Lesung, die Leiterin das Evangelium und sie hält auch eine Predigt zum Schrifttext.
Gegen Ende der Feier geht eine Kommunionhelferin an den Tabernakel, holt eine Hostienschale heraus und stellt sie auf den Altar. Die Leiterin der Wortgottesfeier nimmt die Agenda zur Wortgottesfeier, wie sie von den Bischöfen approbiert vom liturgischen Institut in Trier herausgegeben wurde, und beginnt nach den dort vorgegebenen Riten und Gebeten die Kommunionfeier. „Wenn wir das nicht machen, kommt keiner mehr!“ lässt sie mich nach dem Gottesdienst wissen. Schade, denke ich. Das Wort Gottes hat die Menschen nicht satt gemacht. Dabei ist es doch eine Speise, wie die Schrift bezeugt (vgl. Ez 2,8-10). Die Verknüpfung von Wort-Gottes-Feier und Kommunionausteilung macht die Wort-Gottes-Feier für die Gläubigen zu einem Ersatz für die Eucharistiefeier.
2. Die Entstehung der Wort-Gottes-Feiern
Die Wort-Gottes-Feiern am Sonntag sind in der ehemaligen DDR entstanden. Zu einer Hauptpfarrei mit einem Priester gehörten mehrere Filialgemeinden. Am Sonntag fand in der Hauptpfarrei eine Eucharistiefeier statt, an der ein Vertreter, Mann oder Frau, aus jeder Filialgemeinde teilnahm. Nach dem Hochgebet nahmen diese Männer und Frauen ein Ziborium mit konsekrierten Hostien mit in ihre eigenen Kirchen. Dort hatte, zeitlich leicht versetzt, eine Wort-Gottes-Feier begonnen. In diese Feier hinein wurden die konsekrierten Hostien gebracht und in einer an die Wort-Gottes-Feier anschließenden Kommunionfeier an die Gläubigen ausgeteilt. Somit gab es eine zeitliche und inhaltliche Verbindung zur Eucharistiefeier in der Hauptkirche.[1] In der Beschreibung der Situation in Poitiers, in Frankreich findet sich eine ähnliche Vorgehensweise. Dabei wird aber darauf Wert gelegt, dass diese Verbindung von Wort-Gottes-Feier mit anschließender Kommunionfeier nicht jeden Sonntag geschieht. „Das Kommunizieren bei jedem sonntäglichen Gebet kann auf die Dauer das enge Band lockern, das die Kommunion mit der Messe, der Feier der Eucharistie verbindet.“[2]
Diese enge Verbindung zwischen der Eucharistiefeier und der Wort-Gottes-Feier ist in der Regel in den westdeutschen Gemeinden heute nicht gegeben. Mancherorts lässt sich der Hinweis finden, dass die Hostien in der vergangenen Woche bei der Eucharistiefeier konsekriert wurden. Die enge Verzahnung mit der Eucharistie, wie sie in der ehemaligen DDR hergestellt wurde und ihre formale Übernahme in unsere Situation heute, führte dazu, dass sich keine eigenständige Form und Theologie der Wort-Gottes-Feier entwickeln konnte. Sie wird immer noch als Notbehelf, als nicht-vollständige Messe wahrgenommen. Im Verständnis der Feiernden – sowohl Priester als auch Laien – bleibt sie etwas, was man eigentlich nicht brauchen sollte – wenn man nur genug Priester hätte.
3. Die Wort-Gottes-Feier: wo zwei oder drei….(Mt 18,20)
Die enge Verbindung von Wort-Gottes-Feier und Eucharistie hat den Blick dafür verstellt, was eigentlich in der Begegnung mit dem Wort Gottes geschieht. Im Johannesprolog heißt es schon: „Und das Wort ist Fleisch geworden“(Joh 1,14). In der Begegnung mit dem Wort Gottes findet eine Begegnung mit Christus statt. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“(Mt 18,20) Wie anders sollen wir dieses Wort verstehen, wenn nicht so, dass wir es hier mit der Realpräsenz Christi in seinem Wort zu tun haben? Wie wirkmächtig und nahrhaft dieses Wort Gottes ist, zeigt sich bereits in den Texten des ersten Testamentes.
3.1. Die Wirkung des Wortes Gottes in der Bibel
Im Psalm 1 wird der Mann glücklich gepriesen, der das Wort Gottes murmelt bei Tag und bei Nacht. „Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist“ (Ps1,3). Das heißt, es ist für ihn wie Nahrung, die er in sich aufnimmt. Die Einheitsübersetzung nimmt in ihrer Formulierung in Vers 2 die Bewegung des Mundes, das Murmeln, nicht auf, sondern spricht von nachsinnen („...über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht“[3]). Hier geht die Körperlichkeit der Beschäftigung mit dem Wort Gottes in das Denken, den Kopf, über. Das Wort Gottes will aber körperlich wahrgenommen, erlebt werden, so wie die eucharistischen Gaben von Brot und Wein.
Die Wirkung des Wortes Gottes zeigt sich in beindruckender Weise in der Schöpfungserzählung in Gen 1,1-2.4a. Es ist das Wort, mit dem Gott die Erde erschafft. In der Osternachtfeier wird dieser Text in der Regel in jedem Jahr gelesen. Aber wird er auch geglaubt? Im Blick auf die Wirkmächtigkeit des „Wortes“ Gottes darf dies bezweifelt werden.
Vom Prophet Ezechiel wird berichtet, dass er im Rahmen seiner Berufung zum Propheten den Auftrag erhält, die Buchrolle zu essen.(Ez 3,1). Im Buch der Sprüche wird von der Weisheit gesagt, dass sie die Unwissenden einlädt: „Kommt, esst von meinem Mahl und trinkt vom Wein, den ich mische.“(Spr 9,5)
Das Manna in der Wüste wird in der Tradition der Kirchenväter mit der Eucharistie in Verbindung gebracht. Heinz-Günther Schöttler macht darauf aufmerksam, dass das Mannamotiv in Dtn 8,3 von der Heiligen Schrift selbst mit dem Wort Gottes in Beziehung gesetzt wird.[4] „Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht.“ (Dtn 8,3)
Die Realpräsenz Gottes in seinem Wort zeigt sich in der Erzählung Neh 8. Dort wird berichtet, dass Esra und Nehemia nach dem Wiederaufbau Jerusalems sieben Tage dem Volk die Thora vorlesen und erklären. Zu Beginn preist Esra den Herrn, das Volk antwortet mit Amen, und dann heißt es weiter: „Sie verneigten sich, warfen sich vor dem Herrn nieder, mit dem Gesicht zur Erde.“ (V6b) Dieses Verhalten des Volkes ist mehr als nur die Verehrung der Thora. „…mit dem Lobpreis Gottes, der Akklamation und der Proskynesis des Volkes wird die Gegenwart Gottes in der Lektüre der Thora bekannt.“[5]
Es zeigt sich, das Selbstverständnis des Wortes Gottes, der Thora, geht in der Bibel weit über das hinaus, was wir in der Regel im liturgischen und außerliturgischen Alltag im Blick haben. Es wird mit der Anwesenheit Gottes gleichgesetzt, ist wirkmächtig und eine wahre Speise. Wenn wir uns diesem biblischen Verständnis des Wortes Gottes öffnen, hat das Auswirkungen auf unser Verständnis von Wort-Gottes-Feiern und auf die Art und Weise, wie wir in der Liturgie damit umgehen, das heißt, wie wir es vortragen, verkünden und feiern. Die Performance beim Vorlesen der Texte und in der Gestaltung der Liturgie ist allerdings oft nicht dazu angetan, dieser Wirkmächtigkeit des Gotteswortes Raum zu geben.[6]
3.2 Das Wort Gottes essen und trinken
Ein Blick auf die Aussagen des Kirchenvaters Origenes in Bezug auf die Bedeutung des Wortes Gottes kann helfen, die Verhältnisbestimmung zwischen dem Wort Gottes und der Eucharistie besser zu verstehen.
Origenes lebte und lehrte in der Zeit um 185 bis um 253 im ägyptischen Alexandrien. Ausgehend von dem Wort Jesu in Joh 6,55 f: „Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise und mein Blut ist wirklich ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm“, bringt er diese Aussage in Verbindung mit dem Wort Gottes. „Origenes deutet diese Verse bemerkenswert anders als die spätere alleinige Auslegungstradition. „Mit dem Fleisch und Blut seines Wortes [verbi sui] nämlich tränkt und erquickt er wie [tamquam] mit einer reinen Speise und einem [reinen] Trank das ganze Menschengeschlecht [omne hominum genus].“[7] Das Hören und das Aufnehmen des Wortes Gottes wird so dem Essen und Trinken der eucharistischen Gaben von Brot und Wein gleichgestellt. Dabei geht es nicht um ein „entweder/oder“, sondern um ein „sowohl/als auch“. „In seinen Numeri-Homilien heißt es in einer Auslegung von Num 23,24b: „Wir nennen es ‚das Blut Christi trinken‘ nicht nur im sakramentalen Ritus [non solum sacramentum ritu, sc. in der eucharistischen Feier] sondern auch, wenn wir seine Worte vernehmen/ aufnehmen [sermones eius recipimus], in denen das Leben ist, wie er auch selbst sagt: ‚Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und Leben.‘[Joh 6,63]“[8]
Das Zweite Vaticanum hat in der Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung (DV) diese Sichtweise aufgenommen. Dort heißt es in Nr. 21: „Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der Heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes wie des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und es den Gläubigen reicht.“ Hier vollzieht das Konzil in Anlehnung an die Patristik eine Gleichstellung von Eucharistie und Wort Gottes.
3.3 Das Zweite Vatikanische Konzil und das Verständnis von Wort Gottes und Eucharistie
Wie bereits angedeutet, versteht das Konzil das Wort Gottes als eine Speise, die die Gläubigen nährt. Die Kirche ist bemüht, „…ihre Kinder unablässig mit dem Wort Gottes zu nähren“ (DV 23). Diese „Nahrungsaufnahme“ ereignet sich in besondere Weise in den Wort-Gottes-Feiern. Hier steht das Wort der Schrift im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Deshalb ist diese Form der Feier nicht zu verwechseln oder gleich zu setzen mit den Andachtsformen, wie sie uns in Kreuzwegandachten, Maiandachten oder beim Rosenkranzgebet begegnen. Während in den Kreuzweg- und Maiandachten ausgewählte Heilsgeheimnisse bzw. Heilsereignisse im Zentrum stehen, ist das Rosenkranzgebet mehr auf eine meditative Grundhaltung ausgerichtet. Die Wort-Gottes-Feier mit ihrer Orientierung an der Hl. Schrift ist eine Liturgie mit einem davon unterschiedenen Charakter.
4. Die Wort-Gottes-Feier und die Kommunionfeier
Aus dem bisher gesagten ist deutlich geworden, dass wir in der Wort-Gottes-Feier sowohl von der Realpräsenz Christi in seinem Wort ausgehen können, als auch, dass dieses Wort uns wirklich Nahrung sein will, die uns kräftigt und satt macht. Der Empfang der eucharistischen Gabe des Brotes in der Wort-Gottes-Feier würde dem nichts mehr hinzufügen.
Die Austeilung des eucharistischen Brotes in der Wort-Gottes-Feier wird zudem dem erneuerten Eucharistieverständnis des Zweiten Vaticanum nicht gerecht. Dort heißt es in der Konstitution über die heilige Liturgie: „ Die liturgischen Handlungen sind nicht privater Natur, sondern Feiern der Kirche, die das „Sakrament der Einheit“ ist; sie ist nämlich das heilige Volk, geeint und geordnet unter den Bischöfen. Daher gehen diese Feiern den ganzen mystischen Leib der Kirche an, machen ihn sichtbar und wirken auf ihn ein;…“(SC Nr. 26) Das bedeutet, dass eine Trennung der eucharistischen Gaben von der Feier nicht dem kirchenbildenden Ganzheitsdenken des Konzils entspricht.
Die Konzilsväter greifen damit auf die Ursprünge zurück, wie sie in den neutestamentlichen Texten überliefert sind. Im Laufe der Kirchengeschichte war dieser ekklesiologische Blick auf die Eucharistiefeier verloren gegangen. Die Eucharistiefeier als Versammlung der Gemeinde, in der die Botschaft Jesu und sein Leben und Sterben im Zentrum stehen, war zur Privat- und Winkelmesse degeneriert. Der Priester opferte und die Gemeinde schaute zu. Diese Entwicklung zeichnete sich spätestens seit der konstantinischen Wende ab.
5. Das Eucharistieverständnis im Wandel der Zeit
Nachdem unter Konstantin I. (ca.350) und seinen Nachfolgern das Christentum Staatsreligion wurde, verstärkt sich eine Entwicklung, die schon früher begonnen hatte. Der Opfergedanke der Eucharistie drängt den Mahlcharakter zurück. Die heilige Messe wird zum Messopfer.
Aus dem Vorsteher der Gemeinde, dem „Pastor“(Hirte) wird der Opferpriester (Sazerdos) und aus dem Mahl Jesu mit seinen Jüngern wird das Opfer (Sacrificium).[9]
Die Beteiligung der Gemeinde am Messopfer beschränkt sich auf das andächtige Dabeisein, oft verbunden mit eigenen Gebeten (Rosenkranz). Die Beteiligung des Volkes spielt im Vollzug der Eucharistie keine Rolle mehr. „Kam in der frühen Kirche die ganze Gemeinde zusammen, um unter dem Vorsitz des Bischofs/Priesters das Gedächtnis der Heilstaten Jesu Christi in der Verkündigung der Hl Schrift und im eucharistischen Mahl zu feiern, so wird das Pascha-Mysterium nun eingeengt allein auf den heilsbedeutsamen Tod Jesu, auf die Frage nach seinem Opfer.“[10] Diese Entwicklung verbindet sich mit einem starken somatischen Verständnis der Eucharistischen Gestalten. Es wird die „geistige Kommunion“ praktiziert. Den Gläubigen genügt das Anschauen der Hostie und des Kelches bei der Erhebung nach den Wandlungsworten. Die sonntägliche Eucharistiefeier ist über viele Jahrhunderte nicht mit der Kommunionspendung an die Gottesdienstbesucher verbunden.
Durch die Individualisierung in der Frömmigkeit des Einzelnen und der Klerikalisierung durch die Heraushebung des Priesters als dem Liturgen im Gegenüber zur restlichen Gemeinde, geht der ekklesiologische Aspekt der Eucharistiefeier, die Versammlung der Gemeinde, verloren. „Die Frage nach der Gegenwart Jesu Christi wird fokussiert auf seine Gegenwart unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein („Realpräsenz“). Diese Gegenwart Jesu bleibt über die Feier hinaus und wird selbst auch außerhalb der Feier Anlass zur Verehrung…“.[11]
6. Die Wort-Gottes-Feier eine selbständige Liturgie
Die Wort-Gottes-Feier ist aus einer Notsituation heraus entstanden. Eucharistiefeiern am Sonntag mussten „ersetzt“ werden. Durch die starke Eucharistiefrömmigkeit, die angeregt durch Pius X. in den letzten 100 Jahren entstanden war, ist es schwer, den Gläubigen jetzt nicht nur verständlich zu machen, dass nicht mehr jeden Sonntag eine Eucharistiefeier stattfinden kann, sondern auch, dass damit ein Kommunionempfang nicht mehr möglich ist. Aus dieser pastoralen Notsituation heraus erlauben die Bischöfe zum Teil die Wort-Gottes-Feier mit Kommunionspendung – zum Schaden der Wort-Gottes-Feier als selbständiger Liturgie.
Um hier Abhilfe zu schaffen, sind zwei Dinge notwendig.
Zum einen ist es wichtig, die Bedeutung des Wortes Gottes in seiner Wirkmächtigkeit und in seiner stärkenden nährenden Kraft in Erinnerung zu rufen. Das bedeutet aber, sich der Wort-Gottes-Feier theologisch dogmatisch zu nähern. Die Folge wäre, dass wir uns von der Vorstellung trennen, dass die Wort-Gottes-Feier eine defizitäre Eucharistiefeier sei. Sie ist etwas anderes und steht neben der Eucharistiefeier. Dazu müsste die Liturgiewissenschaft und Pastoraltheologie zusammen mit der Exegese die theologische Bedeutung dieser liturgischen Form herausarbeiten und den Gläubigen vermitteln.
Zum anderen wäre es notwendig, die Gläubigen nicht mit dem Hinweis von der Wort-Gottes-Feier fernzughalten, dass ja in der Nachbarpfarrei oder der Hauptpfarrei der fünf oder sechs bisher selbständigen fusionierten Gemeinden eine Eucharistiefeier stattfinden würde. Die Vertreter dieser Ansicht können sich zwar auf das Kirchenrecht berufen, vergessen darüber aber den gemeindebildenden Charakter der Wort-Gottes-Feier für die Ortsgemeinde. Das Kirchenrecht formuliert das Sonntagsgebot wie folgt: „Dem Gebot zur Teilnahme an der Messfeier genügt, wer an einer Messe teilnimmt, wo immer sie in katholischem Ritus am Feiertag selbst oder am Vortag gefeiert wird.“ (CIC 1248 - §1) In dieser Formulierung zeigt sich deutlich, dass es um die Sonntagspflicht des Einzelnen geht. Der Besuch der Eucharistiefeier wird privatisiert. Der gemeindebildende Charakter der Ortsgemeinde kommt nicht vor. Es ist unbestritten, dass der Besuch der Sonntagsmesse, wo auch immer, im Blick auf die Gesamtkirche kirchenbildend ist, aber im Blick auf die Ortgemeinde geht ein wesentliches Element von Ekklesiogenese für die Gemeinde am Ort verloren, wenn „Kirche“ dort nicht mehr stattfindet.
In §2 des gleichen Kanons heißt es für den Fall, dass in der Pfarrkirche keine Eucharistiefeier stattfindet: Es wird „sehr empfohlen, dass die Gläubigen an einem Wortgottesdienst teilnehmen …“. Dabei kann es meines Erachtens keine Lösung sein, die Pfarrgrenzen einfach so groß zu ziehen, dass von jedem Gläubigen gesagt werden kann, in seiner „Pfarrkirche“ fände eine Eucharistiefeier statt. Es käme so zu einem Ausbluten der Ortsgemeinde.
(Der Hinweis, die Menschen würde ja auch zu Aldi und in den Baumarkt mit dem Auto mehrere Kilometer fahren, muss als häretisch abgewiesen werden, weil es dort um die Befriedigung individueller Konsumbedürfnisse geht und nicht um ein gemeindestiftendes Element in der die Versammelten gemeinsam etwas miteinander tun.)
Mit der Wort-Gottes-feier wurde eine sehr alte liturgische Form zurückgewonnen. Wir sollten für die Rückgewinnung dieser alten Tradition dankbar sein und mit dieser Liturgie die eucharistiefreien Zeiten füllen. So können die Frauen und Männer in den Gemeinden sich vom Tisch des Brotes und vom Tisch des Wortes nähren lassen.
Veröffentlicht Pastoralblatt der Diözesen Aaachen, Berlin, Hildesheim, Köln und Osnabrück 1/ 2014
[1] Vgl. Christoph Heizler, Wortgottesdienste mit Kommunionausteilung, Eine theologische Beurteilung mit Anregung für die Praxis, Würzburg 2003, S. 31
[2] Reinhard Feiter / Hedwig Müller /Hg), Was wird jetzt aus uns Herr Bischof?, Ermutigende Erfahrungen der Gemeindebildung in Poitiers´, S. 50
[3] Im Wort „nach-sinnen“ steckt eigentlich „Sinn“ im doppelten Sinne des Wortes: als körperlich-sinnlicher Aspekt und als geistiger Vollzug, der der sinnlichen Wahrnehmung einen Sinn gibt. Diese Körperlichkeit kommt umgangssprachlich im Nachsinnen nicht so zum Ausdruck, wie die Beschreibung der im Murmeln hörbaren Körperlichkeit.
[4] Vgl. Heinz Günther Schöttler, „Unser Manna ist das Wort Gottes“ (Origenes), in Bibel und Liturgie, 2/2012 S. 83-102.
[5] Georg Steins, Im Banne des Buches, in Bibel und Liturgie, 5 jahrgang.2012 Heft 1 S. 9
[6] vgl. auch, Werner Kleine, Lektor, - mehr als Vorleser, in Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, u.a., 9/2013, 270-274
[7] H.-G. Schöttler a.a.O. S. 85
[8] H.-G. Schöttler a.a.O. S 85
[9] vg.l H.G. Schöttler, in Bibel und Liturgie 2/2012.
[10] Martin Stuflesser, Eucharistie, Liturgische Feier und theologische Erschließung, Regensburg 2013, S.79.
[11] Martin Stuflesser, a.a.O. S. 80