Predigt zu Lk 1,26-38

Die Predigt am Fest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria zum Evangelium aus Lk1,26-38 hat ein Problem. Der Schrifttext handelt von der Verkündigung des Engels an Maria, was wir am 25. März mit dem Fest der unbefleckten Empfängnis feiern. Das bedeutet, dass die Predigt an diesem Tag die gleiche sein kann wie am 8. Dezember, wenn ich den Evangelientext zugrunde lege. Ich habe mich für diesen Weg entschieden. Über die Bedeutung des Festgeheimnisses der unbekleckt Empfangenen zu sprechen, hätte mich auf das Feld der dogmatischen Spekulation und von Schrifttext weggeführt.

WEM „VERDANKT“ SICH JESUS?

Jesus ein befreites Leben

Die Ankündigung der Schwangerschaft an Maria durch den Engel ist für Maria zunächst einmal ein Schock. Sie erschrickt als sie den Gruß vernimmt und fragt sich und den Engel, wie das ohne Mann funktionieren soll. Ich denke, ohne viel zu verstehen willigt sie am Ende in den Auftrag – oder ist es ein Angebot - Gottes ein. Der Engel hat zwar auf die Rückfrage Marias eine Antwort gegeben, aber ob damit alle Fragen wirklich beantwortet sind bleibt offen. So war es damals und ist es wohl auch heute noch.

Die Vorstellung, dass Maria ohne Zutun eines Mannes, nur durch die Kraft des Geistes Gottes schwanger wird, war für die Menschen schon immer ein Grund zum Zweifel, zum Nachfragen.

Das WIE bleibt ungeklärt. Nehmen wir es einfach einmal hin und fragen vielmehr: Warum? Warum ist die Vorstellung von der Schwangerschaft ohne männliches Zutun dem Evangelisten und der frühen Gemeinde wichtig? Sehr früh setzte sich in der Kirche die Vorstellung durch, dass Jesus auf keinen Fall mit irgendetwas in Berührung kommen sollte, was ihn mit dem Makel der Erbsünde in Kontakt bringen könnte. Auf diesem Hintergrund entstand auch das Fest der unbefleckten Empfängnis, das heißt, dass auch Maria von diesem Makel frei blieb, und ihn so auch nicht an ihren Sohn weitergeben konnte.

In der Auslegungsgeschichte zu diesem Evangelium ist auch immer wieder versucht worden, die Vorstellung von der Jungfrauengeburt übertragen oder bildlich zu verstehen. Es solle damit die Außergewöhnlichkeit dieses Kindes zum Ausdruck gebracht werden. Dazu gab es in der altorientalischen Welt Vorbilder, die sich auch der Jungfrauengeburt bedienten, um nicht nur die Außergewöhnlichkeit, sondern sogar die Gottheit der Person zu betonen. So geschehen bei Kaiser Augustus.

Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist immer, dass angenommen wird, dass Lukas mit seinem Bericht keine biologisch medizinische Aussage machen wollte, sondern lediglich ein Bild benutzt, um einen theologischen Inhalt zu transportieren: Jesus ist Gottes Sohn.

 

Gegen die üblichen Familienregeln

Was geschieht aber, wenn wir einmal davon ausgehen, dass Lukas sehr wohl eine medizinische Aussage machen will? Stellen wir uns vor, er will genau das sagen, was keiner so recht wahrhaben, für wahr, halten will: Die Zeugung Jesu geht nicht auf die Kraft der Lenden eines Mannes zurück.

Welche Bedeutung die Vaterschaft in orientalisch geprägten Gesellschaften hat, zeigt sich u.a. daran, dass die Väter nach der Geburt eines Sohnes ihren Namen ändern. Aus Ismael wird dann Abu-Ibrahim, Vater des Ibrahim, wenn der Sohn Ibrahim genannt wird. Das heißt, der Vater definiert sich über den Sohn und macht zugleich deutlich, dass er – Kraft seiner Lenden - hier das bestimmende Element darstellt. Wir kennen solches Verhalten auch in unseren Breiten, wenn die Rede vom Stammhalter ist. Dazu gehört dann auch die Vorstellung, dass die Kinder sich den Regeln der Familie unterordnen. Damit meine ich nicht, dass sie den Eltern gehorchen müssen und die Eltern die Aufgabe der Erziehung übernehmen, sondern ich meine diese anderen Familienregeln. Man kann es auch Familienmythos oder Familienkodex nennen. Dort seht festgeschrieben, was in dieser Familie üblich ist, wie MAN / FRAU sich verhält. Gerade in größeren Familien ist dies ein sehr entscheidendes Moment des eigenen Selbstbildes.

Letztendlich geht es dabei um die Frage: wo gehöre ich hin, wem verdanke ich mich, wem bin ich verpflichtet. Diese Frage kennen wir auch aus Jesu Leben. Seine Familie will ihn nach Hause, nach Nazareth zurückholen, weil sie ihn für verrückt hält. In einer anderen Situation wird Jesus mitgeteilt, seine Mutter und seine Brüder seien draußen. Er antwortet: meine Mutter, Schwester und meine Brüder sind die, die den Willen meines Vaters tun.

Jesus wehrt sich gegen eine Vereinnahmung durch die Familie.

 

Jesus verdankt sich alleine Gott

Liegt darin der tiefere Sinn der Jungfrauengeburt? Die Väter und damit die Garanten der Familien bleiben außen vor. Sie haben keine Macht über den Sohn.

Damit hat Lukas hier eine deutliche antipatriarchalische Tendenz in seinen Text aufgenommen. Er weist die Vereinnahmung durch die patriarchalisch geprägte Welt zurück. Dieser Jesus, der sich als der Sohn Gottes erweisen wird, verdankt sich einzig und alleine nur Gott und dem JA seiner Mutter zu diesem Gott.

Mit der von der Jungfrauengeburt beginnt ein befreites Leben. So sehr wir Kinder unserer Eltern sind, verdanken wir uns im Letzten Gottes Heilshandeln an uns bzw. an unseren Eltern. Das geht aber auch noch weiter. Wem verdanke ich den Erfolg bei der Arbeit oder in der Schule? Meinem Fleiß?, meinem guten Gedächtnis?, meiner Qualifikation?. Alles dies spielt eine Rolle, aber im letzten sind meine Fähigkeiten geschenkt, in der Sprache der Bibel Gnade.

 

Ich merke, wie diese Vorstellung mich entlastet. Es hängt nicht alles von mir und meinen Fähigkeiten ab. Das, was ich kann, was ich mir erarbeitet habe, bringe ich ein. Und dann lasse ich mich aber in die Hand Gottes fallen und......

Es bleibt eine offene Frage, wie es geschehen konnte, dass bei einer so kritischen Haltung gegenüber der Männern- und Familienmacht, es dazu kommen konnte, dass die Männer ein so bestimmender Faktor in der Kirche und den Kirchen wurden. Die Jungfrauengeburt ist bis heute nicht in der Kirche angekommen.

 

Erstveröffentlichung. GOTTS VOLK 1/2009, Katholisches Bibelwerk

Zusätzliche Informationen

Predigt und Supervision

Dr. Abraham Roelofsen

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