Predigt zu 1Kor 10,1-6.10-12
Dieser Text aus dem Brief an die Gemeinde in Korinth ist für unsere Zeit unsere Ohren nicht unproblematisch. Wir können nicht einfach sagen, dass das was den Israeliten in der Wüste widerfahren ist deswegen geschehen ist, dass es uns als Warnung dient. Auch die rein christologische Sicht auf das Erste Testament –der Fels war Christus – wird der Eigenständigkeit der jüdischen Bibel nicht gerecht.
Lieber Paulus,
ich schreibe dir diesen Brief, weil ich manche deiner Ausführungen nicht akzeptieren kann. Was machst du da in deinem Brief? Wie schön klingen deine Worte zu Beginn der heutigen Lesung. Alle unsere Väter waren unter der Wolke, zogen durchs Meer, aßen die gleiche gottgeschenkte Speise, tranken das Wasser aus den Felsen und dann: Gott hatte an den meisten von ihnen keinen Gefallen und ließ sie in der Wüste umkommen.
Der Umgang mit dem ersten Testament, deiner Bibel
Die Art und Weise, wie Du hier mit der Bibel, deiner Bibel, der Bibel deines Volkes umgehst, die gefällt mir nicht. Ja es stimmt, in der Bibel ist viel davon die Rede, dass das Volk Israel in der Wüste murrte und sich gegen Moses stellte. Es gibt immer wieder Auseinandersetzungen und es sterben auch Menschen. Aber das ist doch nicht zu unsrer Warnung aufgeschrieben. 3000 Jahre nach dem Geschehen. Und auch nicht zur Warnung der Gemeinde in Korinth, eintausend Jahre nach den Ereignissen. Wenn Du so mit der Bibel deines Volkes umgehst, dann heißt das, dass du statt sie zu verstehen und zu deuten, sie nur benutzt, sie für deine eigenen Zwecke einsetzt.
Die Situation in Korinth
Ich verstehe ja, dass Du die Christen in Korinth warnen willst. Die fühlen sich so unverschämt sicher mit ihren Sakramenten und in ihrem Glauben. Wir sind getauft, uns kann nichts mehr passieren. Aber wir leben weiterhin wie bisher, machen unsere Geschäfte und scheuen auch vor den Götzenopferfesten unserer alten Freunde nicht zurück. Da scheint es ja in Korinth einigermaßen drunter und drüber gegangen zu sein. Aber dein Anliegen, die Männer und Frauen in Korinth zu warnen, hätte doch auch anders gelingen können.
Eigentlich geht es doch darum, dass nach der Taufe und der Annahme des Glaubens der Weg IN den Glauben ein mühsamer Prozess ist, ein Weg, der nicht so einfach ist, wie sich in Wasser einmal untertauchen zu lassen und den Leib des Herrn zu empfangen.
So wie das Volk Israel in der Wüste mühsam lernen musste, als Volk zusammen zu leben, so ist das auch in den Gemeinden. In der Wüste haben sich die Lebensgrundlagen total verändert. Ob ich in den Kornkammern Ägyptens lebe – wenn auch als Sklave – das ist etwas anderes, als sich mühsam um Brot und Wasser kümmern zu müssen. Einem Gott zu folgen, der so ganz anders ist, als die Götter Ägyptens, der sich nicht in einem Kultbild darstellen lässt, fällt nicht leicht. Da hat man sich dann schnell mal etwas zurechtgezimmert wie ein Stierbild um eine Vorstellung haben zu können von diesem Gott.
Aus der Geschichte lernen
Warum Paulus sagst du nicht einfach: Wir können aus der Geschichte des Volkes Israel lernen. Mit der Befreiungstat JHWHs aus der Hand der Ägypter, war die Befreiung noch nicht beendet. Der äußeren Befreiung musste die innere Befreiung noch folgen. Sich frei machen von den alten Vorstellungen und Praktiken. Für das Volk Israel, war dies mit großen Gefahren verbunden. Sie mussten sich an eine neue Umwelt, nämlich die Wüste, anpassen und sie mussten sich einem Gott überlassen, den sie nicht kannten, von dem sie in der Sklaverei noch nichts gehört hatten.
Und so ging es wohl auch den Frauen und Männern in Korinth, sie wähnten sich sicher mit der Taufe und den Sakramenten. Aber ein Glaube will auch gelebt sein. Er ist immer wieder Anfechtungen unterworfen. Die Glaubens- und Lebenspraxis verändert sich. Das ist es, was wir in den Schriften des ersten Testamentes finden, lieber Paulus. Es ist der Prozess der Glaubens – und für Israel auch der Volksfindung. Es ist die Suche nach der neuen Praxis im Glauben und im Miteinander-Leben.
Der Glaube muss sich verändern
Eigentlich kennen wir das selbst aus unserer eigenen Glaubensgeschichte. Am Anfang haben wir unseren Kinderglauben, in dem Gott und Jesus sehr konkret vorkommen. Sie sind uns nahe, wie Mutter und Vater und manchmal auch noch näher, denn mit ihnen kann man alles besprechen. Aber dann werde ich größer, jugendlich und erwachsen und das Bild stimmt nicht mehr. Es ist nicht mehr so einfach, mit der Nähe zu Gott. Es wird schwierig, ihn sich als guten Gott vorzustellen, wenn drum herum Unglück, Not, Tod und Verderben vorherrschen.
Das Bild von Gott verändert sich, ich muss mich neu auf die Suche machen. Und nach einiger Zeit merke ich, dass diese Suche nie aufhört. Es kommen Rückschläge ich stehe vor dem Trümmern meines Glaubens aus “alten Zeiten.“ Ich stehe auf, suche mir Kreise und Gruppen, die mit mir suchen. Es kommen gute und schöne Erfahrungen mit anderen, die mit auf dem Weg sind. So gehe ich gestärkt und immer wieder neu gefestigt und immer wieder neu verunsichert meinen Weg. Getragen von der Überzeugung der Erlösung durch die Taufe. Nicht in der Selbstsicherheit: mir kann nichts passieren, sondern in der Zuversicht, mir wird nichts endgültig Böses begegnen, denn: dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.
Erstveröffentlichung: GOTTES WORT, 3/2007, © Verlag Katholisches Bibelwerk