Jesus, hier hast du etwas übersehen
„Die 9 undankbaren Aussätzigen“ so könnte man die Perikope auch überschreiben. Die Darstellung des Lukas legt diese Überschrift nahe.
Für die Homilie ist das eine Steilvorlage: `Das ist typisch für die Menschen: wenn es ihnen gut geht, sie geheilt sind, dann vergessen sie Gott.´
Das Grundthema, das diese Erzählung nahelegt ist das der Dankbarkeit, Gott die Ehre geben für das Gute, das uns widerfährt. Dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Und doch bleibt bei dieser Perikope ein eigentümlicher Nachgeschmack. „Ist denn keiner umgekehrt um Gott die Ehre zu geben, außer diesem Fremden“(V18)
Es fällt auf, dass der, der zu Jesus zurückkehrt ein Samariter ist. Wieder einmal werden die Samaritaner den gläubigen Juden als Vorbild vor Augen geführt. Dabei wird aber ein entscheidendes Detail übersehen. Der Samaritaner, der nicht zum jüdischen Volk gehörte und auch nur begrenzten Zugang zum Tempel hat, erstattet seinen Dank demgegenüber ab, der ihn geheilt hat, nämlich diesem Jesus. Daraus macht Lukas, dass er Gott gegenüber seinen Dank abstattet. Aus nachösterlicher Sicht kann Lukas diese Gleichsetzung Jesus = Gott vollziehen.
Die Geschichte spielt aber in der vorösterlichen Zeit.
Das bedeutet, dass für die jüdischen Geheilten der Ort ihre Dankbarkeit zu zeigen, der Tempel in Jerusalem ist. Dort im Tempel werden die anderen 9 Geheilten Gott in ihrer traditionellen vom Gesetz bzw. den Priestern vorgegebenen Weise gedankt haben. Dem Menschen aus Samaria fehlte dieser Ort in der entsprechenden Unmittelbarkeit. So geht er dorthin zurück, von wo die Heilung ihren Ausgangspunkt nahm.
Lukas bedient mit seiner Darstellung einen antijudaistischen Affekt.
Wenn wir einmal von dieser Polemik absehen, dann geht es darum, dass der Fremde, der, der nicht in den traditionellen religiösen Mustern denkt und handelt, nicht vom Heil ausgeschlossen ist. Es wird auch nicht berichtet, dass er von da an ein Jünger Jesu wurde. Die Geschichte zeigt, dass durch Jesus das überkommene Denken von göttlichem Heil, das von Gott kommt, sich verändert hat. Das Heil ist nicht an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion gebunden. Statt „kein Heil außerhalb der Kirche“ heißt es jetzt, „Heil auch außerhalb der Kirche“.
Wuppertal 07.10.2015