Da hat einer nicht aufgepasst!
Ist ihnen schon einmal aufgefallen, dass die meisten Auslegungen zu diesem Text sich mit der Frage beschäftigen, was hat denn das Schaf wohl falsch gemacht, dass es verlorengegangen ist? Das bedeutet, ich interessiere mich für die Aktivität des Schafes. Im Text ist aber nur der Hirte aktiv. Zuerst passt er nicht auf, so dass das Schaf verloren geht, dann geht er es suchen - lässt die 99 zurück - findet es, nimmt es auf seine Schulter und lädt die Freunde und Nachbarn zum Fest. Da ist richtig was los bei diesem Hirten. [ diese Freude wird auch deutlich bei der Frau, die die verlorene Drachme (VV 8-10) wiederfindet.]
Wenn ich mich so dem Text annähere, lass eich zunächst die Verse 1.2.7 unberücksichtigt. Ich bleibe zunächst nur bei der Geschichte, die möglicherweise ursprünglich als einzelne Erzählung überliefert würde. Erst Lk brachte sie in den Kontext mit den Pharisäern und den Zöllnern und Sündern. In der Zusammenstellung mit dem Gleichnis von der „verlorenen Drachme“(8-10) und dem „verlorenen Sohn“(11-32) ist Lukas bemüht, unsere Aufmerksamkeit in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken, nämlich auf das Verlorene: Schaf, Drachme, Sohn. Das heißt aber nicht, dass wir als heutige Leser dieser Leselenkung unbedingt folgen müssen.