Predigt zu Micha 5,1-4a

Das Besondere der alttestamentlichen Lesungenist so kurz vor Weihnachten natürlich der Blick auf die bevorstehende Geburt des Erlösers. Es lohnt sich aber, über diese weihnachtliche Perspektive hinaus einen Blick auf den Text zu werfen und ihn zunächst einmal so an uns heranzulassen, als ob es nicht um Weihnachten und die Geburt des Messias geht, sondern um eine neue Weise des Umgangs miteinander, unabhängig davon, ob der Retter nun geboren wird oder nicht.

Das, was keiner im Blick hat

Wenn wir einmal schauen, was den Lauf der Welt bestimmt, dann haben wir bedeutende Politiker und Wirtschaftsführer, manche vielleicht auch Papst Franziskus vor Augen. Das sind die, die das Sagen haben und nicht selten erwarten wir von ihnen die Lösung der Probleme der Welt: Bekämpfung des Hungers, die Schaffung von Frieden, die Lösung sozialer Konflikte und und und.. .

Das Problem ist nur: es gelingt Ihnen nicht.

Beim Blick auf die großen Problemfelder der Welt kann der einzelne leicht mutlos werden. Was können wir schon dagegen unternehmen?

 

Die neue Weise des Herrschens

Die alttestamentliche Lesung aus dem Buch des Propheten Micha stellt sich dieser Mutlosigkeit entgegen. Sie erwartet nichts von den Großen sondern setzt auf die kleinen unscheinbaren Dinge in der Welt. Das Dorf, Bethlehem, unscheinbar und bedeutungslos zwei Wegstunden vor Jerusalem gelegen, wird zum Heilsbringer. „Aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll.“ (V1) Dieser Herrscher wird aber anders sein, als Israel es aus seiner Geschichte und seiner Umwelt kennt. Es ist nicht ein Herrscher der sich mit Prunk, großen Palästen und einem mächtigen Heer mit Soldaten und Streitwagen hervortut, sondern: „Er wird auftreten und ihr Hirt sein“ (V3)

Das Bild vom Hirten weckt völlig andere Assoziationen als das eines Königs oder Herrschers.

Der Prophet traut sich, dem was alle im Blick auf Herrschaft für normal halten ein anderes Bild entgegenzusetzen. Der mit einem Stock zum Schutz gegen wilde Tiere „bewaffnete“ Hirte, gegen einen von Waffen strotzenden Herrscher.

 

Das Ungewohnte wagen

Es gehört Mut und Gottvertrauen dazu, sich auf so Ungewohntes einzulassen, es einfach zu tun ohne sicher zu sein, dass es hilft.

Die Kerzen der Montagsdemonstranten im Jahr 1989 sind ein solches mutiges Zeichen. Kerzen gegen die Gewehre der Staatsgewalt. Wir können sicherlich nicht die Gewehre und Panzer der deutschen Soldaten in Afghanistan gegen Kerzen austauschen. Aber das Bild gilt trotzdem. Wieso schaffen wir es nicht, andere Formen der Konfliktbewältigung zu finden und dafür genauso viele personelle und wirtschaftliche Ressourcen zu Verfügung zu stellen, wie für den bewaffneten Kampf.

Es ist mittlerweile ein Gemeinplatz, dass die meisten heute oft religiös begründeten Konflikte aus wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen entstehen.

 

Es gibt Beispiele dafür, wie Menschen auf neuen Wegen Heilsbringer für andere wurden. Da beginnt im Jahr 1961ein Rechtsanwalt in England höfliche Briefe an Diktatoren zu schreiben und um die Freilassung politischer Gefangener zu bitten. Welch ein Schwachsinn. Er und seine Freunde schreiben Briefe und Postkarten an die gefangenen um ihnen zu zeigen. Ihr seid nicht vergessen. Es ist die Geburtsstunde von „Amnesty International“.

Sie Gemeinschaft Sant'Egidio ist heute bei Internationalen Konfliktlösungen und Friedensverhandlungen erfolgreich. Sie begann als Gebetsgemeinschaft und Nachbarschaftshilfe in einem Vorort von Rom.

 

Es gibt immer noch einen zweiten Weg

Micha macht uns darauf aufmerksam, dass es immer auch noch einen zweiten Weg gibt. Wir neigen dazu, es in den alten Bahnen auf die eine, vermeintlich bewährte Weise zu tun. „Das haben wir immer schon so gemacht! Das macht man so! Das war schon immer so!“ solche Sätze kenne wir auch aus unserem eigenen Alltag. Der Prophet hält dagegen: Versuch es einmal anders, schau auf das, was nicht sofort ins Auge fällt, das was unbeachtet am Wegrand zu finden ist.

 

Die Hirten nicht alleine lassen

Dabei ist Micha kein Traumtänzer. Er weiß um die Realität in der Welt, in der Gewalt, Machtstreben und der Kampf des Stärkeren gegen den Schwächeren das Leben beherrscht. So stellt er einige Verse weiter sich dem Angriff Assurs gegen Israel: „Und es wird der Friede sein. Wenn Assur in unser Land einfällt und in unsere Paläste eindringt, stellen wir ihm sieben Hirten entgegen und acht fürstliche Männer. Sie werden das Land Assur mit dem Schwert regieren.“ (VV4,5) Er ist also nicht blauäugig. Und trotzdem hält er an den Hirten fest.

 

Das Eine tun und das Andere nicht lassen.

Mir scheint, wir sind eher so ausgerichtet, dass wir das Eine tun, nämlich an den alten „bewährten“ Methoden festhalten und das Andere lassen. Wir tun uns schwer, Neues zu wagen, ausprobieren ob es auch andere als die gewohnten Wege gibt. Es geht darum, einen ersten schritt zu tun, ohne schon zu wissen, wohin der Weg letztendlich führt. Wichtig ist, dass es ein schritt auf den anderen zu ist, auf den Nachbarn, den Flüchtling, den alten Menschen, das nervige Kind, den Menschen ohne Arbeit, die reihe ließe sich fortsetzen.

Micha kann uns Mut machen: Du, so klein und unbedeutend du dir vorkommst, Du kannst etwas bewegen, das das Antlitz der Erde verändert.

 

 

Erstveröffentlichung: GOTTES VOLK, 1 / 2016

    

Zusätzliche Informationen

Predigt und Supervision

Dr. Abraham Roelofsen

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