Die Sache mit der Spreu und dem Weizen
Der Advent ist die Zeit der Erwartung und der Umkehr. So ruft der Täufer in der Wüste die Menschen seiner Zeit zur Umkehr auf. Wir erleben dies oft als Aufforderung das Leben völlige umzugestalten – und lassen dann doch alles lieber so wie es ist. (Wenigstens erlebe ich viele Predigten mit diesem Anspruch.)
Die Frage der Menschen an den Täufer: „Was sollen wir tun?“ bringt aber eine überraschende Antwort. Wer zwei Gewänder hat gebe eines ab, wer zu essen hat teile das, und die Zöllner sollen nur das nehmen was Ihnen zusteht. Ähnliches wird von den Soldaten gefordert.
Es geht demnach nicht um eine totale Umkehr vom bisherigen Lebensalltag, sondern um eine Achtsamkeit in diesem Alltag für die Not der Menschen um uns herum und die angemessene Ausübung des Berufes. So wird Umkehr „leicht“ in den eigenen Alltag integrierbar ohne dass ich mein Leben total umkrempeln muss, weil er sich mit zu vielen Dingen belastet. Wer aber dennoch diesen Eindruck hat, dass das dran ist, der kann auf den zweite Abschnitt des Evangeliums schauen.
Was hat es mit der Spreu und dem Weizen auf sich?
Wir sind es gewohnt uns die Frage zu stellen, bin ich nun Spreu oder bin ich Weizen? Das heißt dann: Heil oder Verdammnis! Es mag sein, dass Johannes in seiner sehr rabiaten unjesuanischen Sprache dies auch so gemeint hat. Denken wir nur seine Rede zu den Pharisäern und Schriftgelehrten.(Mt3,7f). es gibt aber auch noch eine andere mögliche Lesart, die sich stärker an dem verwendeten Bild orientiert.
Das Weizenkorn ist bei seinem Wachstum von Blütenblättern eingehüllt, damit es in dieser Hülle geschützt wachsen und reifen kann. Dazu gehört auch die Ähre, die ihrerseits viele Weizenkörner aufnimmt und bis zu Reife bzw. zur Ernte schützt.
Der Bauer muss nun, bevor er die Frucht weiter verarbeiten kann, das, was für das Weizenkorn Überlebensnotwenig war von ihm trennen. Das Korn braucht es nicht mehr. Diese Spreu wird mit Hilfe des Dreschflegels und der Schaufel vom Weizenkorn getrennt und später verbrannt.
Es geht also nicht um die Frage, bin ich Spreu oder Weizen, sondern darum, was hindert mich an einem erwachsenen und verantwortlichen Glaubensleben. Als Kind und heranwachsender brauchte ich mache Stütze und manchen Schutz für meinen Glauben. Gott und Jesus war für mich wie ein liebender Vater und wie ein guter Bruder und Freund. Jetzt aber, im Erwachsenenalter werde ich auch mit den dunklen und unverständlichen Seiten Gottes konfrontiert. Er ist nicht mehr nur der „liebe Gott“ und der „liebe Heiland“ sondern auch der, der mir und der Welt einiges zumutet. Ich muss mich von den „Schutzwällen“ des Kinderglaubens lösen und diese dem Feuer übergeben.
So gesehen muss ich keine Angst haben ob ich Spreu oder Weizen bin, sondern ich frage mich, wovon muss ich mich trennen um zu einem erwachsenen selbständigen und selbstbewussten Glauben zu finden.
Eine spannende homiletische Perpektive.