Lesejahr: Lesejahr B

Ja was denn? Ist es Sünde oder nicht?

Die Perikopenordnung bietet an diesem Sonntag zwei Lesemöglichkeiten an. Zum einen die Verse 10,2-12 die Rede über die Ehescheidung bzw. den Ehebruch und zum anderen erweitert sie diesen Text um die Verse 13-16, die Begegnung Jesu mit den Kindern.

Auch wenn ich eigentlich gegen Kurzfassungen bin, bietet sie sich hier an. Es fragt sich aber, ob das bedeuten muss, dass man nur VV2-12 liest, oder ob es auch heißen kann, dass nur VV 13-16 gelesen werden.

Nimmt man beide Stellen zusammen, dann ist zu klären, wo die Verbindung zwischen beiden Textcorpora liegt. Wir können nicht sagen, was Markus mit dieser Anordnung bezweckt hat. Das, was beide Texte miteinander verbindet, ist die Änderung der Norm.

 

Was dem normativen Verständnis der Zeit Jesu völlig widerspricht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Jesus die Kinder in den Mittelpunkt stellt. Es kann auch nach Ansicht der religiösen Autoritäten nicht sein, dass ihnen das Himmelreich gehört, denn sie sind noch nicht religionsmündig und in der Lage, sich der Thora gemäß zu verhalten. Um ein christliches oder jüdisches gottgefälliges Leben zu führen, braucht es die religiöse Unterweisung und ein Leben, das danach ausgerichtet ist. Diese Selbstverständlichkeit stellt Jesus hier in Frage.

Der Schlüssel zu diesem Text liegt m.E. in der Formulierung: "Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind." Kinder "verstehen" nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Gefühl. Sie lassen sich auf die Begegnung mit Menschen - und mit Jesus - ein, ohne zu verstehen, was da geschieht. Ich bin der Meinung, wir lassen uns bei unserem religiösen Leben zu oft vom Verstand bestimmen. Wenn wir uns die Jüngerberufungen ansehen, dann geschieht dort etwas ähnliches. Dass die Jünger mit Jesus gehen, hat mit klarem Menschenverstand wenig zu tun.

 

Noch ein Blick auf den Abschnitt zur Ehescheidung. Auch hier geht es um Normverletzungen. Jesus stellt die Verhältnisse auf den Kopf. Nach jüdischen Recht, kann der Mann seine Ehe nicht brechen, weil die Frau sein Eigentum ist. Nur dann, wenn er in die Ehe eines anderen einbricht, bricht er dessen Ehe, aber nicht seine eigene. Das bedeutet Jesus setzt hier eine neue Norm. Auch die Formulierung, dass die Frau ihren Mann aus der Ehe entlässt widerspricht vollkommen der jüdischen Rechtsauffassung. Die jüdische Rechtsauffassung ist nach Jesu Vorstellung nicht mit der Schrift vereinbar. Damit wird in diesem Text das Recht der Frau auf ein selbstbestimmtes Leben angesprochen. Das bedeutet, in einer tieferen Schicht geht es überhaupt nicht um die Ehescheidung, sonderen um das gleichwertige und gleichberechtigte Verhältnis von Mann und Frau.

Als letztes sei noch darauf hingewiesen, dass das Zitat aus der Genesis für die Realität zur Zeit Jesu keine Bedeutung hatte. Die Frau zog zur Familie des Mannes und ordnete sich der Schwiegermutter unter und nicht umgekehrt.          

 

 

Wuppertal, den 10.03.2014

Predigt und Supervision

Dr. Abraham Roelofsen

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